Über Laudenau

Für alle, die das Dorf nur dem Namen nach kennen, wird versucht, etwas über die geographische Lage und die Entwicklung zu berichten.'

Eingebettet in ein schmales und zum Teil steil abfallendes Tälchen, das am Ortshang der Neunkircher Höhe beginnt und in südöstlicher Richtung verläuft, wird Laudenau von einem der Ursprungsbäche der Gersprenz durchflossen. Von alters her wird es der Kategorie der Reihendörfer zugeordnet. Von den umgebenden Höhen geht der Blick über das weite Tal der Gersprenz nordwärts bis zum Otzberg und erfasst südwärts das Weschnitztal. Die Neunkircher Höhe mit dem Kaiserturm erhebt sich im Westen über unser schönes Laudenau.


Blick von der Neunkircher Höhe bei Sonnenuntergang

Unser Dorf wird erstmals 773 n. Chr. In der Heppenheimer Markbeschreibung, als auch 1012 n. Chr. In der Grenzbeschreibung des von Heinrich II. dem Kloster Lorsch geschenkten Wildbannes, erwähnt. 1012 nannte man es Lûtenhaha, 1347 Ludenowe, 1398 – 1400 Ludena, 1433 Ludenauw, 1437 Ludenaw, 1443 Ludenau, 1661 Laudenaw uff der Eberbach, im 17. Jahrhundert Laudenau unter den Bäumen und ab 1748 Laudenau.

Die Deutung des Ortsnamens ist zu verstehen, wenn man die Schreib- und Denkweise des Mittelalters berücksichtigt. Der schmale eilende Bach gab ihm den Namen lût = laut, die Au ist dem lauten, das heißt rauschenden Bach genannt.


In einer Beschreibung des Großherzogtums Hessen vom Jahre 1829 heißt es: „Laudenau ist lutherisches Filialdorf und gehört dem Grafen von Erbach-Erbach. Es liegt in einem hohen Tale ca. 3 ½ Stunden von Erbach entfernt. Man findet dort 27 Häuser mit 286 Einwohnern, die bis auf zwei katholische und einen reformierten sonst alle lutherisch sind. Im Dorf befindet sich eine Oel-Schneidemühle und eine Pappendeckelmühle. Jährlich werden in Laudenau 2 Märkte abgehalten. Die Bürgerhäuser sind einfache, zweistöckige Giebelhäuser von ’alemanischer’ Anlage mit Ziegeldach, vielfach sind sie an mehreren Seiten mit braun oder schwarz gewordenen Schindeln benagelt. Das Fachwerk bietet kein besonderes Interesse. Die Gefachfelder sind, wo sie frei liegen, weiß getüncht, zum Teil mit einfachen geometrischen oder ganz rohen vegetablischen Ornamenten in Kratz- oder Stipptechnik versehen."

Laudenau selbst gehörte zum Teil dem Grafen von Erbach-Erbach und zum Teil der Freiheitlichen Familie von Gemmingen. Im Jahre 1826 trat die Freifrau von Gemmingen die ihr zugestandene Patrimonialgerichtsbarkeit an den Staat und dieser wiederum 1828 an den Grafen von Erbach-Erbach ab.



Eine Besonderheit bei der Entwicklung unseres Dorfes ist, dass Laudenau von Anfang an hoheitsmäßig drei verschiedenen Gemarkungen zugeteilt, also ein dreiteiliges Dorf war. Nach dem Wohnplatzverzeichnis für den Volksstaat Hessen von 1927 (WPIV) unterschied man hier:

Laudenau – das Dorf,
Laudenau unter den Bäumen,
Laudenau – Freiheit.

Die Dreiteilung des Dorfes hatte folgende Auswirkungen: Der erbachsche Teil des Dorfes, "Laudenau unter den Bäumen" genannt, gehörte zur Pfarrei Reichelsheim, das "Dorf Laudenau" zur Pfarrei Neunkirchen und drei Höfe auf der "Freiheit" zu Groß-Bieberau. Die "Drei-Kreis-Ecke" wird auch heute noch durch einen Grenzstein markiert, die die Jahreszahl 1786 trägt. Nicht weit davon entfernt befindet sich ein Markstein, an dem bis zum Ende des 18. Jahrhunderts die drei Kirchspiele zusammentrafen. In diesem Zusammenhang soll eine nette Geschichte erzählt werden, die sich 1763 ereignet haben soll.



Als "xerctium eines raten actus" wird das Treffen der drei Pfarrer am 22. Juli 1763 vom Neunkirchener Pfarrer in der Kirchenchronik folgendermaßen beschrieben: „Anno 1763 den 22. Juli geschah es, dass der Herr Pfarrer zu Groß-
Bieberau, H. Philipp Gerlach Kröll, sodann der Herr Pfarrer zu Reichelsheim, H. Georg Christoph Pogner, und ich, Joh. Daniel Moter, Pfarrer zu Neunkirchen, zu Laudenau bey einem Stein, wo unsere drey Kirchspiele zusammenstoßen, zusammenkamen, und an einem Tisch, der über diesen Stein gestellt gewesen, zusammen öffentlich gespeist, und zwar dergestalt, dass ein jeder von uns dreien auf seinem Kirchspiel gesessen hatte.“

Die drei Pfarrer sollen fröhlich an einem Tisch gesessen und ihren mitgebrachten Proviant verzehrt haben. Ein Kinderchor sang dabei gottgefällige Lieder und als Belohnung gab es für die Kinder Wecke und Wein von der Gemeinde. Eine angrenzende Wiese hat heute noch den Namen "Pfaffenwiese“.


Der frühere Weiler Freiheit hat eine sehr wechselhafte Geschichte. Es handelt sich um ein bis 1806 gemarkungsfreies Gebiet. In der Chronik über die Freiheit liest man: „In der Nähe des Dorfes Laudenau befand sich im Mittelalter eine Gerichtsstätte der rodensteinischen Herrschaft, der Steinau angehörte, wo Gericht unter freiem Himmel abgehalten wurde. Die Gerichtsstätte war von einer lebenden Hecke umgeben. Diese Stätte, die etwa 1400 m von der Burgruine Rodenstein entfernt liegt, war damals ’gebannt’ oder ’gefreit’, d. h. geschützt.“



An der fraglichen Stelle lag damals ein Gutshof, heute ein Gasthaus. Das Wirtshausschild lautet auch heute noch ’Zur Freiheit“ und bedeutet soviel wie gefeites Gebiet. Damals genoß man dort Immunität, also Schutz vor Verfolgung:

Die Herren von Rodenstein, zu deren Gebiet das ehemalige Märkergericht Freiheit gehörte, sind 1671 ausgestorben. Später kam es zur Herrschaft des Freiherren von Gemmingen in Fränkisch-Crumbach. Damals bildeten zwei Höfe mit ca. 15 Einwohnern den Weiler Freiheit. 1806 wurde die Herrschaft der Gemminger aufgelöst, nun gehörten die Höfe Freiheit und das Land faktisch zu Hessen.


Zwischen Laudenau und der Ruine Rodenstein befinden sich im dichten Wald große Granitfelsen, der Wildweibchenstein. Lächelnd nimmt man zur Kenntnis, dass hier zwei wilde Weibchen lange Jahre hindurch gehaust haben sollen. Sie sollen viele Vorübergehende erschreckt haben und ihnen sodann geheimnisvolle Worte und Rätsel aufgegeben haben, die bis heute undurchsichtig blieben, z. B.: „Wenn die Bauern wüssten, zu was die wilden weißen Haiden und die wilden weißen Selben (Salbaien) gut sind, dann könnten sie mit silbernen Karsen hacken!“



Die Freiheit gehörte bis 1976 zur Gemeinde Fränkisch-Crumbach, welche 1972 aus dem ehemaligen Kreis Dieburg in den Odenwaldkreis (damals: Kreis Erbach) eingegliedert wurde. Erst durch einen Grenzänderungsvertrag im Jahre 1976 kam das Gebiet zum Ortsteil Laudenau und damit zu unserer Gemeinde.

Die bis 1972 zum Kreis Bergstraße gehörende selbständige Gemeinde Laudenau entschloss sich bei einer Bürgerbefragung für einen Anschluss an die Gemeinde Reichelsheim.

Seitdem ist Laudenau mit seinen Einwohnern ein Ortsteil von Reichelsheim und gehört zum Odenwaldkreis.

Siegfried Schäfer